Zur Auswahl der richtigen Medien

Eine oft gehörte Frage ist, mit welchem Kanal man “heutzutage” am besten eine bestimmte Zielgruppe erreicht. Nun, die richtige Antwort hierauf ist, dass dies die falsche Frage ist.

Hinter der Frage steckt jedoch ein berechtigtes Bedürfnis. Menschen, Firmen, Parteien (…) möchten mit ihren Freunden, Mitarbeitern, Kunden, Mitgliedern, Lieferanten (…) kommunizieren. Möchten über ihre Produkte, Marken und Ideen informieren und möchten Informationen über ihre Zielgruppe haben.

Doch wie geht das denn nun? TV, Zeitschriften, Plakate, Kino, Blog, Social Media, Portal, Newsletter… Was sind denn die richtigen “Kanäle”, um wen genau zu erreichen?

Immer noch behaupte ich, dass dies zu falsche Frage ist, komme zur Auflösung dessen aber erst gleich. Zunächst greife ich eine Frage auf, die wir (Dr. J. und ich) gemeinsam mit der Akademie des dt. Buchhandels auf Facebook gestellt haben, an der das Problem deutlich wird:

Muss ‘mobile’ das neue Leitmedium für Unternehmen werden?

Die Antworten darauf waren sehr heterogen. Und zugegeben, die Frage war auch bewusst unscharf und provozierend gestellt.

Die Antworten, die die Facebook-User gegeben haben, waren im Grunde zweigeteilt:

1) Nein, muss es nicht. Kann es aber, wenn es der User-Experience hilft.
2) Ja, auf jeden Fall

Beide Antworten sind richtig (es gibt noch mehr “richtige Antworten”, ich gehe hier aber nur auf diese Beiden ein), je nachdem wie man diese Frage deutet:

1) ist richtig, wenn man sich überlegt, wie man seine Zielgruppe am besten in die Unternehmenskommunikation integrieren kann, wie man möglichst wenig Hürden aufbaut und wie man Information über und Kommunikation mit einem Unternehmen zu einer möglichst angenehmen Erfahrung macht.

2) ist richtig, wenn man die Entwicklung der Gesellschaft als Ganzes betrachtet. Doch ist dieser Fall nicht so trivial, wie der erste. Denn “mobile” das meint nicht “ein iPhone” oder “ein Blackberry”. Mobile, dass meint die “Überallverfügbarkeit” von Informationen, Kommunikations- und Publikationsmöglichkeiten. (Auf die Risiken für Unternehmen, bin ich jüngst in einem Kommentar eingegangen).

Um etwas präziser zu werden, haben wir noch mal nachgefragt:

Wie wichtig sind Ihnen ihre mobilen Geräte (Smartphone, Tablet-PC, …)?

Deswegen, wenn es dem Kunden signifikant hilft, eine Information auf einem Plakat zu bekommen, soll er sie dort doch bekommen. Doch wird dieses Plakat, evtl. photographiert werden, zum Beispiel auf Facebook hochgeladen und dort bewertet, kommentiert, annotiert, weiterverarbeitet (…) und wieder ausgedruckt an Kühlschränke gepinnt.

Ein TV-Spot erreicht vielleicht die richtige Zielgruppe, die ihn aber ebenfalls durch die Social-Media-“Kanäle” schiebt und dort dessen Botschaft weiterträgt und positiv oder negativ konnotiert.

Genau gesehen, ist die Begründung zu 2) jedoch die Begründung, warum 1) und 2) auch beide zu kurz gedacht sind.

Wie soll es “ein Leitmedium” geben, wenn öffentliche Kommunikation so unplanbar wird? Wer kann denn schon voraussagen, welcher TV-Spot auf Facebook lobend erwähnt und welches Flugblatt auf Flickr niedergemacht wird?

Die Digitalisierung digitalisiert eben nicht nur die technischen Medien, sondern auch die Kommunikationskultur der Gesellschaft. Das bedeutet, dass auch für “Offline Medien” sich die Regeln ändern, sowie sich die Kommunikationsprozesse der Gesellschaft im Großen und deren Gesten, Formen und Regeln im Kleinen weiterentwickeln.

In diese Richtung geht auch unsere Auswertung der ersten Frage, die wir in einem Artikel auf der Seite der Buchakademie veröffentlicht haben:

Über richtige Antworten und falsche Fragen: Was ist das Leitmedium des 21. Jahrhundert?

Das alles bedeutet aber auch, dass es wenig Sinn macht, über Informations- oder Kommunikations-“Kanäle” zu sprechen. Vielmehr gilt es, Kommunikation als System zu verstehen, Wechselwirkungen zu berücksichtigen und nicht nur “User-Experience”, “Interfacedesign”, “perfekte Texte”, “großartiger Spot” zu denken. Alles das ist toll, aber für sich allein “heutzutage” wenig wert.

Womit wir schließlich bei der Auflösung sind:

Was ist denn nun das richtige Medium? Das richtige Medium ist, den Nährboden für das Lernen beim Einzelnen (User-Experience, Interface- & Interaktionsdesign, usw.) zu bereiten, gleichzeitig auf diesem Nährboden  das Entstehen von Netzwerken zu begünstigen und Anschlussmöglichkeiten für die Kommunizierenden zu bieten.

Das bedeutet, die Wechselwirkungen zwischen der Situation des Rezipienten, dessem sozialen und infrastrukturellen Umfeld und den Codes der Zeit im Auge zu haben.

Das ist das “Leitmedium” des beginnenden 21. Jahrhunderts: Die technische, inhaltliche und soziale Verknüpfung aller Medien und deren Implementierung in Geno- und Phänotyp der Gesellschaft.

Praxis
Wie funktioniert dies in der Praxis? Pauschale Antworten darauf sind oft zu kurz gedacht. Einen möglichen Start habe ich in den Artikeln
3 Stufen der Integration und Branding im Realzeitnetzwerk beschrieben.

Leave a comment